Heizkostenschocks bei der Vonovia: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns zusammenzuschließen“

Brinja Manske, Mieterin der Vonovia am Tempelhofer Damm in Berlin, ist empört: „Ich soll als alleinerziehende Auszubildende zwei Monatsmieten für die Heizkosten nachzahlen. Woher soll ich das nehmen? Wie kommt die Vonovia auf diese Kosten?“ Noch schlimmer ergeht es manchen NachbarInnen: „Eine 90jährige Nachbarin von mir soll laut Heizkostenabrechnung 6000 Euro nachzahlen! Als sie bei der Vonovia anrief, hat man sie gefragt, warum sie denn auch mehr als ein Zimmer heize. Ist das der Schutz vor Wohnungsverlust, den Vonovia-Chef Buch alten Menschen garantiert? “

Ähnliche Erfahrungen machen Vonovia-MieterInnen in anderen Berliner Stadtteilen, in Stuttgart und im Ruhrgebiet…

„Die hohen Nachzahlungen aus den aktuellen Heizkostenabrechnungen überfordern viele MieterInnen“, sagt Paul Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg. „Wir erwarten von der Vonovia, dass das Unternehmen bei hohen Nachzahlungen seiner Verantwortung gerecht wird und die geltend gemachten Kosten auf ein sozialverträgliches Niveau senkt. Unabhängig hiervon, lohnt es sich bei den Heizkosten genau hinzuschauen. Gerade der Vonovia gelingt es regelmäßig nicht die erforderlichen vollständigen und prüffähigen Belegunterlagen vorzulegen. Nachzahlungen können dann zurückbehalten werden. Das setzt aber voraus, dass die MieterInnen aktiv werden und den Abrechnungen widersprechen.“

„Die Vonovia reagiert auf solche Forderungen mit der Übersendung von meist selbst angefertigten Standardpapieren“, berichtet Knut Unger vom MieterInnenverein Witten. „Seit vielen Jahren warten wir vergeblich auf die Gewährung der Einsichtnahme in die Originale und den Nachweis der tatsächlichen Zahlungen der Rechnungsbeträge. Die übersandten Vertragskopien sind unvollständig. Sie enthalten Preisanpassungsklauseln, die unserer Meinung nach nicht wirksam sind. Vor allem aber ist ein großer Teil der übersandten Rechnungen auf 100-prozentige Tochterunternehmen der Vonovia ausgestellt. Der Konzern hat eigene Unternehmen für die Wartung, die Abrechnung und auch die Energieversorgung gegründet. Für uns handelt es sich bei deren Rechnungen um unzulässige Eigenbelege. Ihre tatsächlichen Kosten verheimlicht die Vonovia.“ Mitglieder des MieterInnenvereins Witten des bundesweiten „MieterInnenbündnis VoNO!via & Co.“ halten deshalb seit Jahren Nachforderungen zurück. „Keine Zahlung ohne vollständigen Beleg“, lautet die Devise der Mietrechtskämpfer.

Trotz flächendeckender Intransparenz: Auch bei der Vonovia sind Nachforderungen von mehreren Tausend Euro bislang eher die Ausnahme, die dann aber ganz Stadtteile betrifft. Schon im letzten März erhielten die MieterInnen der Arbeitersiedlung Bottrop-Welheim Heizkosten-Nachforderungen von bis über 4000 Euro. Wie in den anderen Stadtteilen auch forderte der Wohnungskonzern außerdem extreme Erhöhungen der monatlichen Vorauszahlungen. „Ich sollte für meine 47 Quadratmeter große Wohnung fast 1000 Euro Warmmiete bezahlen“, sagt eine betroffene Mieterin. „Wie kann das sein? Wir in der Gartenstadt Welheim haben alle Angst, unser Zuhause zu verlieren.“

In vielen Fällen führt diese Angst zur Lähmung. In Welheim aber kam es anders. Die Betroffenen taten sich zu einer Mietergemeinschaft zusammen. In gemeinsamen Schreiben forderten sie die Einsichtnahme in die vollständigen Kostenbelege und hielten die hohen Nachforderungen zurück, wie es ihr gutes Recht ist. Das verschaffte ihnen Zeit, sich besser zu organisieren und zugleich an die Öffentlichkeit zu gehen. Viele traten in den MieterInnenverein Witten ein. Im Mai wandten sie sich in einem Video-Appell an die AktionärInnen der Vonovia. Sie forderten eine Zurücknahme der hohen Forderungen, eine Kostentransparenz sowie Verhandlungen über die Sicherung einer bezahlbaren und klimagerechten Energieversorgung. Vonovia-Chef Buch nahm eine Einladung in den Stadtteil an, der er aber bis heute noch nicht gefolgt ist. Dafür nahm die Vonovia später den größten Teil der Nachforderungen für die ganze Siedlung zurück. Angeblich aus „Kulanz“ verzichtete sie auf 267.000 Euro. Ein Sieg? Nicht ganz. Die MieterInnen befürchten die nächsten Abrechnungen. Sie hängen an einem ineffizienten Nahwärmesystem, das im sogenannten Contracting betrieben wird.

„Den Fällen mit besonders hohen Nachforderungen in Berlin, Bottrop und Stuttgart ist gemeinsam, dass sie nicht auf der Abrechnung von Brennstoffkosten, sondern von Wärmekosten beruhen“, sagt Unger. „Die Vonovia hat die Heizzentralen auf externe Unternehmen ausgelagert, die ihr jetzt die erzeugte Wärme verkaufen, natürlich mit Gewinn. Wir haben zwar nirgendwo vollständige Verträge, aus anderen Unterlagen geht aber hervor, dass die Kosten in allen fraglichen Fällen problematische Preisänderungsklauseln enthalten. Diese stellen auf den sogenannten EGIX, einen stark schwankenden Index für die Gaspreise an der Börse ab. Der war 2022 und 2023 sehr hoch. Ich glaube nicht, dass die Versorger ihr Gas komplett zu diesen Bedingungen gekauft haben. Wahrscheinlich streichen sie mit diesen Formeln erhebliche Gewinne ein. Und das müsste eigentlich unzulässig sein. Die Vonovia hat mit Sicherheit einen Verhandlungsspielraum. Sie muss diesen im Interesse ihrer MieterInnen nutzen. Sie darf nicht eigene oder fremde Krisengewinne an die Mieter weitergeben.“

Manche MieterInnen vermuten noch andere Motive hinter den hohen Nachforderungen der Vonovia. „Wenn die Vonovia die jetzigen Mieter aus dem attraktiven Wohngebiet am Tempelhofer Feld verdrängt, kann sie die Wohnungen wesentlich teurer weitervermieten“, sagt Brinja Manske. „Wenn wir jetzt ohnmächtig einknicken, wo sollen wir dann in Zukunft wohnen? Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns zusammenzuschließen und gemeinsam zu versuchen Vonovia entgegenzutreten. Dafür gehen wir an die Öffentlichkeit. Wir fordern aber auch Solidarität von den PolitikerInnen. Was sind das für Gesetze, die solche Geschäftspraktiken möglich machen?“

Im bundesweiten MieterInnenbündnis VoNO!via & Co. ist man auf einen langen gemeinsamen Organisationsprozess eingestellt. Niemand soll mit seinen Problemen allein gelassen werden. Nicht bei 5.000 Euro Nachforderung und nicht bei 300 Euro. Zum Beispiel in Berlin-Zehlendorf: „Bei unseren überwiegend alten NachbarInnen meint die Vonovia vielleicht leichtes Spiel zu haben. Bei der Prüfung sämtlicher Abrechnungsbelege setzen wir aber jetzt mehr denn je auf ein kollektives Vorgehen. Dazu haben wir uns dem überregionalen MieterInnenbündnis VoNOvia & Co. angeschlossen, sagt Barbara v. Boroviczeny, MieterInnen Berlin-Südwest.