Thesen zur geplanten neuen Fernwärmeverordnung

von Knut Unger, MieterInnenverein Witten .
Die Verordnung kann erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung der MieterInnenrechte bei gewerblicher Wärmelieferung (Contracting) haben. Im offiziellen Anhörungsverfahren zu dem Entwurf gibt es eine Vielzahl von Stellungnahmen (s.o.). Ein paar aktive Mitwirkende des AK Wärmekämpfe im MieterInnenbündnis VoNO!via & Co. (1) haben sich  mit dem Entwurf beschäftigt. Als mein persönliches Zwichenergebnis bringe ich die folgenden vorläufigen Thesen in die Diskussion.

(1) Bei der AVBFernwärmeV handelt sich um eine Rahmensetzung für die Vertragskonditionen in der privatwirtschaftlich organisierten gewerblichen Wärmeversorgung. Die bereits bestehenden Probleme mit intransparenten hohen Kosten und die Herausforderungen der erforderlichen sozialen und klimagerechten Wärmewende können mit diesem Instrument allein nicht gelöst werden. Es sind Reformen mehrerer anderer Gesetze erforderlich. Insbesondere müssen Bestimmungen geschaffen werden, die die systematische Benachteiligung der Mietenden bei dem Abschluss und der Überprüfung von Wärmeverträgen zwischen Vermietern und Wärmeversorgern beenden. Die neue AVBFernwärmeV kann zunächst bessere Voraussetzungen dafür schaffen, die Vertragsbeziehungen, Preise und CO2-Minderungen wesentlich transparenter zu machen. Dies ist auch eine Voraussetzung für erforderliche öffentlich-rechtliche Preisbegrenzungen und dafür, dass zumindest gut organisierte MieterInnen ihre bestehendenbegrenzten Rechte besser wahrnehmen können.
(2) Da eine bezahlbare warme Wohnung ein Grundbedürfnis ist, weil Wärmenetze notwendig monopolähnliche Territorien ausbilden UND weil für den Klimaschutz dekarbonisierte Wärmenetze stark ausgebaut werden müssen, muss die Wärmeversorgung aus unserer Sicht viel stärker als bislang öffentlich kontrolliert werden. Es handelt sich um eine technische Infrastruktur, die überwiegend von öffentlich-gemeinwirtschaftlichen und gemeinnützigen Organisationen getragen werden sollte, und nicht von der Orientierung an maximalen Renditen und von spekulativen Finanzinvestoren geprägt werden darf. Insoweit eine gemeinwirtschaftliche oder gemeinnützige Trägerstruktur (noch) nicht durchgesetzt werden kann, sind Preise und Versorgungsbedingungen öffentlich-rechtlich so zu kontrollieren, dass laufende Kosten und gesellschaftlich erwünschte Investitionen refinanziert und eine angemessene aber nicht unbegrenzte Rendite erwirtschaftet werden kann. Die AVBFernwärmeV sollte dazu wesentliche Vorgaben bestimmen, deren Einhaltung Bedingung wirksamer Verträge ist, aber auch von einer Behörde kontrolliert wird. Wärmelieferungsverträge sollten immer auch Klimaschutzziele enthalten, und die Preise sollten sich nicht von der Kostenentwicklung entkoppeln können, wie dies in der Gaskrise ab 2022 in dramatischen Ausmaßen der Fall war.    
(3) Die AVBFernwärmeV ermöglicht langfristige Vertragsbeziehungen in zwei unterschiedlichen Bereichen der gewerblichen Wärmelieferung: In der „klassischen“ Fernwärme wird Wärme in Anlagen erzeugt und verteilt, die dauerhaft von eigenständigen, von den Gebäudeeigentümern unabhängigen Versorgungsunternehmen betrieben werden. Sie versorgen zugehörige Netzgebiete monopolartig. Davon zu unterscheiden sind Wärmelieferungsvereinbarungen, die zwischen Gebäudeeigentümern und Wärmeversorgern für bestimmte Zeiträume getroffen werden (Wärmecontracting). Während im ersten Fall die Kunden grundsätzlich keinen direkten Einfluss auf die Versorgungsbedingungen haben und aus DIESEM Grunde gesetzlich geschützt werden müssen, können sie beim Contracting auf die Vertragsgestaltung massiven Einfluss nehmen. Die Gefahr ist jedoch, dass diese Verträge zu Nachteilen Dritter führen, nämlich der MieterInnen und der Umwelt. Wir sind der Meinung, dass die unterschiedlichen Formen der Wärmelieferung in Teilbereichen unterschiedlich reguliert werden müssen, ohne das Ziel einer einheitlichen Verordnung aufzugeben. 
(4) Auf keinen Fall darf die Vereinbarung eines sogenannten Betriebsführungscontractings zu einer generellen Ausnahme von der AVBFernwärmeV führen, wie dies von einzelnen Verbänden gefordert wird. Zwar erfolgen in diesem  Fall nur wesentlich geringere Investitionen als bei der Errichtung einer neuen Heizzentrale oder der Schaffung eines dekarbonisierten Wärmenetzes, und deshalb sind lange Vertragslaufzeiten nicht in jedem Fall zu vertreten. Die Möglichkeit der Umstellung auf ein Betriebsführungscontracting unter bestimmten Bedingungen ist aber in § 556c BGB ausdrücklich vorgesehen. Die Ausnahme von der Verordnung würde die massenhafte Umgehung der Verordnungsziele ermöglichen. Sie würde eine Verschlechterung der jetzigen rechtlichen Situation von MieterInnen nach sich ziehen. Auch die im Referentenentwurf vorgesehene Ausnahmeregelung für Industrieunternehmen kann dazu führen, dass große Wohnungsunternehmen die AVBFernwärmeV umgehen. Eine rein an der Anschlussleistung orientierte Abgrenzung ist deshalb ungeeignet. Es sollte keine Form der gewerblichen Wärmelieferung unreguliert bleiben. 
(5) In Bezug auf Wohnungsmietverhältnisse besteht vor allem bei Contractingverträgen das besondere Problem, dass die MieterInnen/VerbraucherInnen, die die Wärme bezahlen müssen, keinen Einfluss auf die Vertragsbeziehungen zwischen Eigentümern und Versorgern haben. Diese können sich bei ihren Vertragsvereinbarungen sehr weitgehend von den Interessen der EndverbraucherInnen abkoppeln. Dies führt sowohl zu unnötig hohen und unkontrollierten Kosten der MieterInnen als auch zu einer unzureichenden Motivation und Qualitätskontrolle bei der Energieeffizienz und dem Wechsel auf  CO2-arme Energieträger. Auf dieses Problem gibt es grundsätzlich zwei mögliche Antworten: Entweder werden die Vertragsbeziehungen einschließlich der Preise und der Klimaschutzinvestitionen öffentlich kontrolliert, oder die Mieterschaften werden als dritte Vertragsparteien an den Aushandlungen und Umsetzungskontrollen beteiligt. Mehr Flexibilität und Innovation wird ermöglicht, wenn beide Ansätze kombiniert werden. Der Entwurf zur AVBFernwärmeV enthält bislang jedoch keinerlei Ansätze zur Mitbestimmung der Mietenden. Zwar lässt sich echte Mietermitbestimmung nur mit Hilfe des Mietrechts oder der Verfassung der Wohnungseigentümer erreichen. Zumindest aber die Veröffentlichungspflichten in der AVBFernwärmeV bieten für die Wahrnehmung der Mieterrechte Anknüpfungspunkte. Zusätzlich sollte geprüft werden, inwieweit Anforderungen an die Verankerung von Informations-, Prüf-  Schutz- und Mitbestimmungsrechte der Mietenden in den Wärmelieferungsverträgen zwischen den beiden Contractingpartnern geschaffen werden können.
(6) Für MieterInnen ist die im Verordnungs-Entwurf vorgesehene leichter zugängliche Veröffentlichung der Versorgungsbedingungen und maßgeblicher Daten von großer Bedeutung. So können sie die Zulässigkeit und Richtigkeit der abgeschlossenen Wärmelieferverträge und Abrechnungen leichter kontrollieren. Da die VermieterInnen die Kosten des Bezugs von Wärme an die MieterInnen weiter geben können, haben sie ohne das Risiko einer deratigen Kontrolle kein ausgeprägtes Eigeninteresse an einer strikten Prüfung der Richtigkeit der Preise und Rechnungen. Wie uns die Erfahrung lehrt, ist es bislang selbst für organisierte MieterInnen außerordentlich schwierig, die vollständigen Informationen für die Prüfung einer Heizkostenabrechnung zu erhalten. Eine umfassende Veröffentlichung der Versorgungsbedingungen könnte die Prüfung vereinfachen. Stellen die MieterInnen anhand der Informationen rechtswidrige Vertragsklausen und Rechnungen fest, können sie das Vermietungsunternehmen darauf hinweisen. Es ist dann zwecks Abwendung von Schäden seiner MieterInnen befugt, motiviert und verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Es muss der Verstoß gegen die Pflichten allerdings auch zu wirksamen Sanktionen führen. Denkbar sind die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer Rechnung, Kürzungsrechte der KundInnen oder auch Bußgelder.  Die zu veröffentlichenden Fakten sollten gegenüber dem Entwurf noch deutlich ergänzt werden.  (s.u.).  Die Veröffentlichungspflichten sollten auch für Betreiber sogenannter Gebäude- und Kleinstnetze gelten. Die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Ausnahmen von den Veröffentlichungspflichten würden zur systematischen Umgehung der besonderen Schutzwirkungen führen, die die die Veröffentlichung für MieterInnen entfaltet. Es sind uns etliche Beispiele dafür bekannt, dass Großvermieter Zentralheizungen einzelner Gebäude oder kleiner Gebäudekomplexe in Contractingverträgen auf Wärmelieferanten übertragen, die sie zum Teil sogar selbst kontrollieren.
(7) Gerade für Wärmelieferungsverträge bei Contracting sollte es verpflichtend sein, überprüfbare CO2-Minderungsziele und die dafür beabsichtigten Maßnahmen, einschließlich der Kontrolle der Zielerreichung, zu vereinbaren. Diese Vereinbarungen sollen eine Grundlage für transparente Investitionsrechnung und damit für die Begründung der vereinbarten Preise bilden. Über die Zielerreichung soll jährlich Bericht erstattet werden. Zielvereinbarungen und Berichte sind zu veröffentlichen.
(8) Die Verordnung ermöglichte schon bislang längere Vertragslaufzeiten als sonst rechtkich möglich sind.  Besteht bereits echter Fernwärme gibtes unserer Meinung nach weder Gründe für eine längere noch für eine kürzere Laufzeit. Der Kunde ist ohnehin auf das Angebot angewiesen. Lediglich im Falle eines Contractings hat der Wärmelieferant ein nachvollziehbares Interesse daran, über lange Vertragslaufzeiten eine Amortisierung seiner Investitionen zu erreichen. Dies setzt allerdings voraus, dass derartige Investitionen auch während der Vertragslaufzeit vorgenommen werden. Daraus kann die Forderung abgeleitet werden, dass längere Vertragslaufzeiten in der AVB nur dann und insoweit erlaubt werden sollten, als diese nachweislich für die Amortisierung von vereinbarten Investitionen erforderlich sind. Da aber nicht jede Investition gesellschaftlich wünschenswert ist, sondern Investitionen in CO2-Reduktion privilegiert werden sollen, sollte bei der Investitionsrechnung von den geplanten CO2-mindernden Maßnahmen ausgegangen werden. In der Kalkulation des Wärmelieferanten sollte dargestellt werden, welcher Amortisationszeitraum bei dem vereinbarten Preis erforderlich ist. Dieser Zeitraum könnte dann im Vertrag als Laufzeit vereinbart werden. Liegt lediglich ein „Betriebsführungscontracting“ vor, ist von geringeren Investitionen auszugehen für deren Amortisierung sich kürzere Laufzeiten ergeben.
(9) Der Ausgangspreis, insbesondere der Grundpreis, sollte auf Basis der prognostizierten laufenden Betriebskosten, der für die Zielerreichung beabsichtigten Investitionshöhe, der Finanzierungskosten und der Vertragslaufeit kalkuliert werden. Die AVB sollte regeln, dass diese Kalkulation im Wärmeliefervertrag berücksichtigt wird. Zusätzlich sind aber auch die Effekte zu berücksichtigen, die entstehen, falls der Versorger durch seine Investitionen in regenerative Energieträger die Kosten für Primärenergie reduzieren kann, ohne den Arbeitspreis zwingend absenken zu müssen. Transparenter wären verpflichtende Vertragsvereinbarungen zur Änderung des Grundpreises im Falle einer Kostenreduktion infolge eines Energieträgerwechsels. Grundsatz sollte hierbei sein, dass der Preis – ggf. inflationsbereinigt – stabil bleibt. Ist dies nicht der Fall, sollte der Vertrag gekündigt werden können.  
(10) Für die Anforderungen an die erlaubten Preisänderungsklauseln sollten einheitliche Regelungen gelten, deren Einhaltung auch öffentlich kontolliert wird. Kürzere Vertragslaufzeiten widersprechen nicht der Vereinbarung verbindlicher transparenter Preisänderungsklauseln. Bei den Arbeitspreisen sollten Vertragsklauseln regeln, dass die aufgrund der Preise erfolgenden Einnahmen auf keinen Fall über den tatsächlichen Kosten der Energiebeschaffung liegen. Die tatsächlichen Kosten sollte der Versorger in seiner Rechnung an den Kunden offenlegen und bei Anfrage des Kunden im Detail nachweisen müssen. (Ein Mieter hat dann automatische Anspruch auf Einsichtnahme in diese Unterlagen des Vermieters). Außerdem soll der Versorger verpflichtet sein, bei seiner Energiebeschaffung vorausschauend und wirtschaftlich zu handeln. Davon kann ohne weitere Prüfung ausgegangen werden, wenn sich seine Kostenentwicklung im Rahmen des bundesweiten Energiepreisindexes, v.a. zu Gas, bewegen. Liegen die belegten Kosten darüber (eventuell mit Toleranz), sollte der Versorger nachweisen müssen, dass er die Kostensteigerung nicht zu vertreten hat. Die Anforderungen an die Erstellung der erforderlichen Nachweise sollten in der AVBFernwärmeV geregelt werden. Die Einhaltung sollte auch von Behörden kontrolliert werden können. Erste Schritte in diese Richtung wären die Festlegung zulässiger Arbeitspreisklauseln, Veröffentlichungs- und verbindliche Auskunftspflichten des Versorgers, deren Verletzung zu ausdrücklich Unwirksamkeit der Forderungen führt.
(11) Anschlusswerte (Höhe der zu liefernden Leistungen) sollten in allen Fällen den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden. Bei einem aufgrund hoher Investitionen hohen Grundpreisanteil wirkt sich die Anpassung der Anschlusswerte quantitativ besonders stark aus. Es ist in Zukunft also mit einer größeren Dynamik der Anschlusswerte als bisher zu rechnen. Die Ermittlung und Berechnung der Anschlusswerte muss nach klaren Regeln belegt und veröffentlich werden.  
(12) Die Preise und Leistungen der Wärmeversorger sollten auf einer öffentlichen Plattform verglichen werden können. Die zulässigen Wärmepreise sollten öffentlich-rechtlich gedeckelt werden. Orientierungsmaßstab für die Deckelungsbeträge könnte der bundesweite Wärmekostenindex sein. Zusätzlich könnten übliche Kostenstrukturen berücksichtigt werden.
(13) Im Mietrecht sollte die Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung nur noch dann zugelassen werden, wenn dies nachweislich der nachhaltigen Reduktion von CO2 dient. Voraussetzung dafür wäre, dass in den Wärmelieferungsverträgen überprüfbare Klimaschutzziele und Investitionsmaßnahmen vereinbart wurden. Wird die Heizungsanlage ausgelagert, soll wegen der daraus folgenden Entlastung des Vermieters eine Absenkung der Grundmiete erfolgen. Die Absenkung kann analog § 559 BGB auf jährlich 8 % des Anschaffungswertes der ausgelagerten Anlagen festgesetzt werden. Mietermitbestimmte Contractingverträge könnten im Mietrecht uner diesen Bedingungen ausdrücklich ermöglicht und privilegiert werden. 
(14) Im Mietrecht oder durch ein eigenständiges Gesetz zu regeln:  Sowohl bei Umstellung auf Wärmelieferung, also auch bei einem Wechsel des Energieträgers (z.B. regenerative Energien), muss die Einhaltung  einer (inflationsbereinigten) Nettowarmmietenneutralität garantiert werden. Das heißt: Wärmepreise dürfen auch mehrere Jahren nach der Umstellung nicht höher ausfallen als es im gleichen Zeitraum bei Eigenbetrieb einer zeitgemäßen Heizung der Fall wäre. Wenn bei Umstellung auf Wärmelieferung die Grundmiete gesenkt wird (s.o.), sollte diese Reduktion bei der Bemessung der maximal möglichen Wärmekosten berücksichtigt werden können. Auch bei Dekarbonisierung sind die Wärmepreise auf den bisherigen inflationsbereinigten Betrag zu deckeln. Der Grundpreis könnte in dem Maße erhöht werden, wie der Arbeitspreis reduziert wird.
  
(15)   Ebenfalls mietrechtlich ist zu regeln, dass bei Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung und bei Vertragsänderungen die MieterInnen frühzeitig über die Vertragsverhandlungen, die angestrebten Maßnahmen und Kosten und eingeholte Alternativangebote informiert werden. Initiativen der Mieterschaft sollten bei Einhaltung eines Quorums Alternativangebote einholen oder einfordern können. Liegen mehrere Alternativen vor, sollte auf Verlangen eines Quorums in der Mieterschaft eine Urabstimmung durchgeführt werden. Auch Intitiativrechte der Mietschaft für die Einführung mitbestimmeter KLamschutzcontracting solleten möglich sein. Für diese Mitbestimmungsrechte müssen eventuell auch Rechtsgrundlagen außerhalb des Mietrechts geschaffen werden.
(16) Zusätzlich ist eine gesetzliche Klarstellung erforderlich, dass bei Auslagerung von Heizungsanlagen an Unternehmen, die vom Vermietungskonzern beherrscht werden, stets maximal nur die tatsächlichen Kosten des Konzerns umlagefähig sind. Abweichende Regelungen könnten für begrenze Zeit zugelassen werden, wenn diesen über 50 % der Mieterschaft zustimmen.  
**** Hintergrund und Anmerkungen ****
(1) Das MieterInnenbündnis VoNO!via & Co. ist ein Zusammenschluss von Mietervereinen und Mieterinitiativen, die versuchen, die gemeinsamen Mieterinteressen in Wohngebieten großer kapitalmarkt- und finanzmarktorientierter Vermietungskonzerne zu organisieren. Unsere Überlegungen zum Entwurf der neuen AVBFernwärmeV basieren vor allem auf den Erfahrungen aus den folgenden Auseinandersetzungen: In einigen der bei uns vertretenen Wohngebiete der Vonovia SE und der LEG Immobilien SE kam es ab 2023 zu Nachforderungen von Heizkosten in Höhe von mehreren tausend Euro, was die betroffenen Mieterschaften finanziell überforderte. Dabei handelte es sich überwiegend um Wohngebiete mit gewerblicher Wärmelieferung, die meist über Contractingverträge mit langer Laufzeit eingerichtet worden war.
Bis heute arbeiten die folgenden Interessenvertretungen betroffener MieterInnen besonders intensiv zusammen, um die mit den Kostensteigerungen verbundenen Bedrohungen abzuwehren:
1. Mietergemeinschaft Bottrop-Welheim (Vonovia)  im MieterInnenverein Witten u. Umg. e.V. 
2. MIMO Berlin-Mariendorf-Ost (Deusche Wohnen / Vonovia), siehe z.B. DWE: Widerstand gegen Horrorheizkosten
3. Prüfgemeinschaft Nobelstraße/Allmandstraße/Käthe-Hamburger-Weg
Stuttgart-Vaihingen (Vonovia) / Mieterinitiativen-Stuttgart
4. Mieterinitiatitive Göttingen Grone (LEG)
In allen vier Wohngebeiten haben die organisierten MieterInnen die vollständige Einsichtnahme in die Belege der Heizkosten verlangt und halten hohe Nachforderungen bis heute zurück. Auch wenn die Belegvorlage in keinem Fall vollständig erfolgt ist, sind bereits umfassende Fehler in den Abrechnungen und unwirksame Mängel der Preisgleitklauseln aufgedeckt worden. Die drei Initiativen in den Vonovia-Wohngebieten haben sich wiederholt in Offenen Briefen an das Konzernmanagement gewandt und gemeinsam Korrekturen und Nachweise verlangt.  Darauf liegen keine ausreichenden Antworten der Vonovia vor.
In allen vier Fällen liegen Blockheizungen vor, deren Wärme über kleinere Netze an mehrere Gebäude verteilt wird. Diese Heizungsanlagen befanden sich ursprünglich im Eigentum der Grundeigentümer. Sie wurden vor unterschiedlich langer Zeit über Contracting-Konstruktionen an Wärmedienstleister übereignet, die die Grundeigentümer mit Wärme versorgen. Die Bedingungen dafür sind in langfristigen Wärmelieferungsverträgen festgehalten, auf die die Bestimmungen der AVBFernwärmeV anzuwenden sind.
Wie wir mit der Zeit herausgefunden haben, bestehen für alle vier Fälle starke rechtliche Zweifel, dass die Wärmelieferungsverträge der bislang geltenden AVBFernwärmeV entsprechen. In keinem der vier Fälle werden die Veröffentlichungspflichten gem. § 1 AVBFernwärmeV (alt) erfüllt. In allen vier Fällen kann bestritten werden, dass die Preisänderungsklauseln für den Arbeitspreis die Transparenzanforderungen gem. § 24 AVBFernwärmeV (alt) erfüllen. In allen vier Fällen liegen bei der Arbeitspreisklausel Kostenkomponenten vor, die sich an Indices der Gaspreisbörse orientieren. Es bestehen sehr starke Zweifel daran, dass diese Indices dem von BGH geforderten „abstrakt-generellen Gleichlauf“ mit den tatsächlichen Kostenentwicklungen der Versorger entsprechen. Dass eine solcher „Gleichlauf“ gegeben ist oder dass der Beleg dafür verlangt wurde, haben die Eigentümer trotz zahlreicher Anforderungen in keinem Fall belegt. Da wir es für sehr unwahrscheinlich halten, dass sich die Wärmelieferanten ausschließlich am Spotmarkt mit Gas versorgen, vermuten wir, dass ihnen die starre Anwendung der Preisgleitklausel zu hohen Sondergewinnen verholfen hat. Mindestens im Falle Mariendorf-Ost fließen diese Gewinne auch dem Eigentümer zu, da er zu 49 % an dem Wärmelieferanten G+D. Im Fall Göttingen-Grone fehlt in der Preisgleitklausel zudem jegliches Marktelement. Ein Rechtgutachten von Prof Dr. Artz kommt zu dem Schluss, dass unwirksame, also nichtige, Preisgleitklauseln vorliegen.
Auch wenn wir aufgrund unserer intensiven Arbeit die Hoffnung hegen, die extremen Nachforderungen aufgrund der Nichteinhaltung der AVB-Standards abwehren zu können, zeigt unsere Erfahrung vor allem, dass die geltenden Regelungen völlig unzureichend sind, den Missbrauch der Wärmelieferung durch die Energie- und Immobilienwirtschaft zu verhindern und den Endverbrauchern eine praktikable Kontrolle der Rechtkonformität der Kosten und Verträge zu ermöglichen. Dafür sind die geltenden Regelungen in der AVB viel zu unbestimmt, auf die Interpretation durch die Rechtsprechung angewiesen und in der Folge für die MieterInnen zu kompliziert.